Kolumne

Auf Anfrage habe ich einige Beiträge für das Handelsblatt geschrieben. Hier meine Beiträge mit Links zu den veröffentlichten Versionen.

Omnia vincit labor – Arbeit erobert alles
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Verschwörung – Gedanken zum Film Oeconomia

Corona – eine plakative Bestandsaufnahme
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Aus aktuellem Anlass zum vorstehenden Artikel hier einige weiterführende Gedanken. 

Gedanken zu „alles dicht machen“

In Indien tobt zur Zeit eine verheerende Covid-Welle. Das Gesundheitswesen ist überfordert. Die Folge: nicht alle kranken Menschen können behandelt werden, viele müssen von den Krankenhäusern abgewiesen  werden, weil Behandlungsplätze fehlen. Menschen sterben ohne Hilfe unter dramatischen Umständen. Ein humane Katastrophe.

Im zweibevölkerungsreichsten Land leben knapp 1,4 Mrd. Menschen. In diesem Jahr werden dort insgesamt voraussichtlich 11 Millionen Menschen sterben, siehe https://countrymeters.info/de/India. Das ist die derzeit absehbare Gesamtsterblichkeit 2021. Konkret heißt das, knapp 1% der indischen Bevölkerung wird in diesem Jahr sterben, während die indische Bevölkerung zur gleichen Zeit voraussichtlich um mehr als 1 % wachsen wird, denn es werden mehr als doppelt so viele Menschen geboren, wie zur gleichen Zeit sterben.

Nicht alle diese 11 Millionen Menschen werden an Corona sterben, aber Corona wird zur Sterblichkeit beitragen und diese absehbar – anders als im vergangenen Jahr – überproportional erhöhen.

Was folgt aus diesen erschütternden, traurigen Daten? Würde es helfen die 1,4 Mrd. Menschen in einen Lockdown zu senden? Würde es das Leben von knapp 1% dieser Menschen verlängern, wenn 1,4 Mrd. Menschen auf ihr soziales Leben verzichten? Rechtfertigt die Krankheit von Millionen Menschen und der Tod von Millionen die psychischen, sozialen und ökonomischen, also letztlich existenziellen Folgen die 1,4 Mrd. Menschen durch einen Lockdown zu erleiden haben?

Wir stehen hier vor einem moralischen Problem. In der Philosophie werden solche moralischen Dilemma immer wieder diskutiert, siehe u.a. Michael J. Sandel „Gerechtigkeit. Wie wir das Richtige tun“ oder John Rawls „Eine Theorie der Gerechtigkeit“. Ich habe in der Philosophie keine klaren Antworten auf diese Fragen gefunden. Konstruierte Beispiele haben vielmehr gezeigt, dass unsere Antworten davon abhängen, zu welcher Gruppe von Betroffenen wir gehören. Ich erinnere an den Film „Terror“ der 2018 im ZDF lief, siehe u.a. https://youtu.be/iVVXTtiZqzc. In diesem Film, nach einem Theaterstück von Ferdinand von Schirach, ging es um die Frage, darf ein Passagierflugzeug abgeschossen werden, um zu verhindern, dass es durch seinen Absturz vermutlich 70.000 Menschen tötet? Das Fernsehpublikum hat damals entschieden. Es hat nicht eindeutig entschieden, aber es hat in der Mehrheit genau so geurteilt, wie es heute über den Lockdown urteilt. Die Mehrheit entscheidet sich in Krisensituationen für die Rechte der Mehrheit. Ist das gerecht? Ich weiß es nicht? Aber ich vermute, es ist menschlich.

Heute zerreißt die Frage, ob der Lockdown gerechtfertigt ist, unsere Gesellschaft. Auf diese Frage wird es so wenig eine einheitliche Antwort geben, wie auf all die anderen Fragen zur Gerechtigkeit. Das einzige, wofür wir wahrscheinlich alle gemeinsam kämpfen können, ist eine tiefgreifende Reform des Gesundheitswesen, eine Reform, die unser Gesundheitswesen pandemiefähig macht, indem sie es der kapitalistischen Profitlogik entzieht. 

Siehe auch meinen Beitrag unten: Alles dicht? – Solidarität statt Schotten dicht!

Corona für Fortgeschrittene

Den folgenden Text habe ich nicht für das Handelsblatt geschrieben. Es ist mein Beitrag zur #allesdichtmachen-Debatte.

Alles dicht? – Solidarität statt Schotten dicht!